Swissbau Blog Swissbau 2024

Wie der Bau künstliche Intelligenz nutzen kann

In den letzten Monaten drehte sich (fast) alles um künstliche Intelligenz. In der Bau- und Immobilienbranche kann sie dazu beitragen, dass Prozesse effizienter und umweltschonender werden – etwa mit intelligenter Heizungssteuerung und automatisiertem Recycling.

Vor allem dank ChatGPT erfuhr die künstliche Intelligenz (KI) zuletzt viel Aufmerksamkeit. Ihr Potenzial ist jedoch zumindest in Fachkreisen schon länger bekannt und beschränkt sich keineswegs auf die Produktion von Texten und Bildern. Systeme mit künstlicher Intelligenz können nicht nur Vorgaben umsetzen, sondern auch selbst Ereignisse interpretieren, Muster erkennen und aus Erfahrungen lernen. Sie sind damit in der Lage, kognitive Leistungen des Menschen nachzuahmen.

Nutzbare Daten als Voraussetzung
In der Bau- und Immobilienbranche sind KI-Anwendungen heute noch wenig verbreitet, was teilweise auf mangelnde Ressourcen und fehlendes Know-how zurückzuführen sein dürfte. In vielen Fällen fehlt aber schlicht die Datengrundlage, die für das Trainieren von KI-Modellen unerlässlich ist. «In unserer Branche befinden sich die Informationen oft in Excel-Listen, 2D-Plänen und in den Köpfen der Baufachleute», erklärt Maximilian Vomhof, Gründer der Initiative opensource.construction. «Für KI-Modelle sind solche Daten nicht nutzbar.»

Künstliche Intelligenz benötigt nicht nur lesbare Daten, sondern auch möglichst viele davon, was für die in der Branche häufig anzutreffenden KMU eine Herausforderung darstellt. Eine Lösung könnten Open-Source-Ansätze sein. Die Idee dahinter: Statt dass jede Firma für sich eine digitale Infrastruktur aufbaut, erstellt man gemeinsam nutzbare Plattformen. Das sei nicht nur kostengünstiger, sagt Vomhof, sondern ergebe auch besser auf die Bedürfnisse der KMU zugeschnittene Lösungen als mit den komplexen Angeboten der grossen Softwareanbieter.

Allerdings müssen auch kleine Firmen ihre Hausaufgaben machen. Wo liegen meine Daten? Wie viel Kontrolle habe ich darüber? Welchen Mehrwert bieten sie mir heute? «Solche Fragen sollte sich jedes Unternehmen unabhängig von der Grösse stellen, denn die Antworten darauf sind entscheidend für die Nutzung von KI», sagt Vomhof. Seine Initiative unterstützt Firmen aus der Baubranche dabei, sei es über Veranstaltungen oder auch über direkte Beratungen. Dass es sich lohnt, punkto Umgang mit Daten und künstlicher Intelligenz vorwärts zu machen, zeigen die nachfolgenden beiden Beispiele.

Selbstlernende Gebäudetechnik
Die Regelung gebäudetechnischer Anlagen basiert heute oft auf simplen «wenn, dann»-Funktionen. Ein Beispiel: Wenn die Raumtemperatur einen Sollwert unterschreitet, dann wird die Heizung aktiviert. Treffen aber kurz darauf Sonnenstahlen auf die Fenster und heizen den Raum auf, überhitzt dieser. Solche unnötigen Energieverbräuche lassen sich durch KI-basierte Regelungen vermeiden. So soll die Gebäudetechnik selbstständig aus dem Nutzerverhalten sowie weiteren Parametern wie Klima- und Gebäudedaten lernen und dadurch den Betrieb optimieren.

Künstliche Intelligenz braucht es, weil den Systemen damit nicht im Detail vorgegeben werden muss, wie sie einen bestimmten Sollwert zu erreichen haben. Vielmehr sollen sie selbst herausfinden, wie ein Gebäude in der jeweils aktuellen Situation am besten betrieben werden kann. Und sie reagieren selbstständig auf Veränderungen, sei es beim Wetter, bei der Nutzung, den Komfortansprüchen oder am Gebäudesystem selbst.

2_Thermostat_Empa.jfif (10.7 MB)

Für ein Heizsystem mit selbstlernender Regelung müssen analoge durch smarte Thermostaten ersetzt werden – für Installateure eine Arbeit von wenigen Minuten. (Foto: Empa)

Räume sollen bei KI-basierten Regelungssystemen also nicht auf die schnellstmögliche Weise beheizt werden, sondern auf die effizienteste. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Indem das System den durch den Wetterbericht prognostizierten Solarertrag einberechnet, muss die Heizung viel weniger Wärme beitragen. Solche intelligenten Regelsysteme, die KI nutzen, sind heute bereits auf dem Markt erhältlich. Ein Anbieter aus der Schweiz ist Viboo, ein Spin-off von ETH und Empa.

Entsorgung und Recycling
Heute produziert die Bauwirtschaft sehr viele Abfälle – in der Schweiz verursacht sie mit 15,5 Millionen Tonnen pro Jahr rund 65 % der gesamten Abfallmenge. Um die Ressourcen zu schonen und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren, müssen die Wiederverwendung und das Recycling verbessert werden. Künstliche Intelligenz bietet in verschiedenen Bereichen die Chance, den Umgang mit Ressourcen und Abfällen zu optimieren. KI-Systeme können zum Beispiel Daten zu Materialkosten, Recyclingmöglichkeiten und Umweltauswirkungen analysieren und darauf basierend Empfehlungen abgeben, wie das Material weiterverwendet werden kann. So steigt die Ressourceneffizienz, während die Kosten sinken und die ökologischen Auswirkungen reduziert werden.

KI kann aber auch den Entsorgungs- und Recyclingprozess direkt vereinfachen, wie das Beispiel einer Anwendung zeigt, die von SENS eRecycling in der Schweiz erfolgreich eingesetzt wird. «SENS AI» ist ein KI-Modell, das über hochauflösende Kameras Elektroschrott auf einem Förderband zuverlässig erkennt und in über 130 Produktkategorien einteilt. Damit können Recyclingprodukte standortunabhängig immer gleich erfasst werden. Das erlaubt nicht nur eine effiziente Verwertung des Elektroschrotts, sondern generiert auch verlässliche Daten zu Recyclingquoten der einzelnen Gerätekategorien. Diese Basis kann beispielsweise dazu beitragen, die Auswirkungen energiepolitischer Massnahmen und Instrumente auf das Recyclingverhalten zu beurteilen.

3_SENS-AI_2023-12-05.jpg (0.5 MB)

Das KI-Modell «SENS AI» kann verschiedene Elektrogeräte erkennen und den richtigen Kategorien zuordnen. (Foto: SENS eRecycling)


«KI» war im Swissbau Focus & Lab an der Swissbau 2024 ein grosses Thema

Auf der Swissbau Website finden Sie die Aufzeichnungen der entsprechenden Livestreams im Überblick:

Swissbau Content Hub

Und hier geht's zu den Replays einzelner Keynote Sessions:

«KI im Bau»

Die Zukunft des Raums Schweiz

Mining the atmosphere: CO₂-negative Baumaterialien

ESG-Transparenzanforderungen – Wie Schweizer Portfoliohalter zukunftssicher agieren können