Standpunkt Swissbau 2024

Ein Auge für den perfekten Stamm

Holzherkunft. Immer in den Wintermonaten ist Tobias Scherg in den Wäldern Europas unterwegs, auf der Suche nach den perfekten Stämmen für sein Unternehmen. Der Schreinerzeitung gab der Geschäftsführer der Roser AG einen Einblick in diesen zentralen Teil seiner Arbeit.

Beim Spaziergang durch den Wald begegnet man zahlreichen Bäumen. Von Nadelhölzern, wie der Eibe und Fichte, bis hin zu prächtigen Laubbäumen, wie der Esche, Buche oder Eiche. Über die Jahrzehnte hinweg trotzen die Bäume den Naturgewalten und passen sich an ihre Umgebung an. Diese Anpassungen, seien es Wuchsarten, Verletzungen oder andere Beeinträchtigungen, geben jedem Baum ein individuelles Aussehen, und auch im Holzinnern hinterlassen sie Spuren. Wenn Tobias Scherg, Geschäftsführer der Roser AG aus Birsfelden BL, im Wald unterwegs ist, achtet er ganz genau auf solche Merkmale. Besonders in den Wintermonaten, wenn er sich auf die Suche nach neuem Holz für die Furnierherstellung macht, findet man ihn, ausgerüstet mit seiner Kluppe und einem Massband, in den Wäldern Europas wieder.

Schreinerzeitung: Herr Scherg, wie wichtig ist die Suche nach neuen Stämmen für Sie?Tobias Scherg: Mit dem Einkauf steht und fällt alles. Ohne gutes Holz können wir kein gutes Geschäftsjahr realisieren. Die Herausforderungen sind gross, da immer weniger geeignete Stämme für die Furnierproduktion pro Forstamt, Wald und Jahr herauskommen. Deshalb ist das auch eine Aufgabe, die ich selber übernehme. Befassen Sie sich das ganze Jahr mit der Holzsuche, oder fokussiert sich diese auf das Zeitfenster der Wintermonate?Wir sind nach den Sommerferien wieder in Kontakt mit den Rundholzhändlern und den Furnierwerken, um die benötigten Mengen und die Produktionskapazitäten festzulegen. Zudem schauen wir auch mit den Rundholzlieferanten an, welche Holzarten in der kommenden Saison gefragt sein könnten.

Wie erfahren Sie von neuen Hölzern, und wie hat sich die Suche verändert?
Die Roser AG ist seit 111 Jahren im Rundholzeinkauf tätig. Dadurch haben wir uns ein grosses Netzwerk aufgebaut. Wichtig ist es aber auch immer, neue Quellen, Holzhändler oder Sägewerke zu finden. Das geht heute mit Social Media viel einfacher als vor 30 Jahren.

In welchen Ländern suchen Sie überall nach den benötigten Stämmen?
Wir sind mehrheitlich in Europa unterwegs, oftmals in Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Italien, Kroatien, Slowenien und Tschechien. Für spezielle Projekte suchen wir auch in den USA oder Brasilien. Auf der Grundlage des Schweizer Forstgesetzes werden im gleichen Wald immer die ältesten Bäume gefällt. Beispielsweise in Kroatien werden grosse Flächen auf einmal gerodet und dann aber für 100 Jahre in Ruhe gelassen. Dadurch haben die Bäume länger Zeit, um ungestört zu wachsen, was sich in der guten Holzqualität zeigt. Die Schweiz hat für diese Forstart jedoch zu wenig grosse und zusammenhängende Waldgebiete.

Aufgrund welcher Vorzeichen erkennen Sie den kommenden Bedarf?
Das ist Bauchgefühl; wir wissen nur bedingt, was im nächsten Jahr der Trend sein wird. Hierfür fahren wir auch auf die Messen nach Köln oder Mailand und befragen unsere Kunden.

Wie gehen Sie in der Regel vor, um an das benötigte Holz heranzukommen?
Hierfür gibt es Submissionen, also geheime Gebotsabgaben in den jeweiligen Forstämtern. Wir kaufen aber auch vielmals direkt bei Privatwaldbesitzern und bei Sägewerken ein.

Welche Holzarten sind momentan schwieriger zu bekommen, welche einfacher?
Besonders Riegelahorn, europäischer Nussbaum, Ulme, Fichte und Tanne sind aktuell schwierig zu bekommen. Hingegen ist es momentan einfacher, eine gute Eiche, Asteiche oder Buche zu finden.

Gibt es unseriöse Angebote, und wann werden Sie vorsichtig?
Wir müssen gemäss der Schweizer Holzhandelsverordnung immer volle Transparenz vom jeweiligen Rundholzhändler einfordern. Ich als Geschäftsführer hafte persönlich. Deshalb sind eine genaue Analyse und Dokumente, welche die Legalität beweisen, für mich äusserst wichtig. Der Korruptionsindex des jeweiligen Landes spielt auch eine Rolle.

Welche Rolle spielen die Holzherkunft und die Nachhaltigkeit?
Hier steht ein gesunder Menschenverstand an erster Stelle, dann erst folgen Zertifikate, wie FSC oder PEFC. Das sind alles sinnvolle und gute Labels, aber man muss diese kritisch hinterfragen.

Worauf achten Sie als Erstes, wenn Sie auf einen Submissionsplatz kommen?
Zuerst achte ich insbesondere darauf, wie sauber die Stämme aufgepoltert sind und ob man genügend Platz hat, um jeden Stamm einzeln zu inspizieren. Weiter müssen die Stämme sauber angeschrieben sein, und das Holz muss frisch sowie frei von Schnee und Dreck sein. Nur so kann man den Stamm genau begutachten und seinen Zustand erkennen.

Auf welche Schadensbilder legen Sie ein besonderes Augenmerk?
Ich schaue mir den Stamm zuerst als Ganzes an. So sehe ich seine Geradschäftigkeit, seinen Wuchs und kann seinen Durchmesser bestimmen. Anschliessend halte ich Ausschau nach Beschädigungen der Rinde, wie Risse, Noppen, Nageläste oder Rosen, und achte darauf, ob der Stamm abholzig ist oder beispielsweise einen Riegel hat.

Gibt es hier Unterschiede zwischen den verschiedenen Holzarten?
Ja, sehr grosse Unterschiede sogar. Bei einem Riegelahorn zählt beispielsweise die Intensität des Riegels. Schwarze Mineralien an der Stirnseite sind kein gutes Zeichen, und er darf keine hellen Adern und keinen Pilzbefall aufweisen. Eiche hingegen darf keinen Einlauf haben und vor allem keine Ringschäle aufweisen.

Wie lange dürfen Stämme im Wald liegen, bevor Sie diese nicht mehr kaufen würden?
Das kommt sehr auf das Wetter an. Wenn es relativ trocken und kalt ist, dann ist längeres Liegen kein Problem. Ist es hingegen feucht und warm, kommen rasch Pilze oder auch Insekten, und es kann ein Einlauf entstehen.

Hatten Sie schon besondere Erlebnisse bei der Holzsuche?
Einmal fanden wir ein grosses Ameisennest in einer Eiche. Eine Buche hatte einen Pilzbefall, der anschliessend zu einem ganz besonderen Furnier führte. Bei einer Eibe war wiederum der Kern total verfault, was beim Einkauf von aussen nicht sichtbar war. Man sagt auch nicht umsonst, dass die Erfahrung die Summe aller gemachten Fehler ist.

Wie unterscheidet sich Ihr Vorgehen, wenn der Baum noch nicht gefällt ist?
Wenn der Baum noch steht, kann man nur bedingt den kompletten Stamm checken. Aber wenn er stark im Durchmesser ist, eine saubere Rinde aufweist und dazu noch gerade wie eine Walze ist, sind das sehr gute Anzeichen.

Was gibt es zu beachten, wenn man sich für einen Stamm entschieden hat, und wie wird abgerechnet?
Man sollte immer nachfragen, ob über oder unter der Rinde gemessen wurde. Das kann einen grossen Einfluss haben. Im Normalfall wird beim Stamm zweimal der Durchmesser in der Mitte gemessen. Mit dem Durchschnitt werden die Kubikmeter ausgerechnet, anhand dieser der Preis fällig wird. Aus einem Kubikmeter Holz werden spanlos bis zu 1000 m2 Furnierblätter geschnitten – wir sprechen deshalb auch vom «Filet des Baumes». Bezahlt wird immer vor Abfuhr, und deshalb sagt man auch den Spruch: Handle rund und bleib gesund.

Wohin werden die Bäume nach dem Kauf transportiert?
Die gekauften Stämme müssen schnell ins Nasslager auf dem Holzplatz und bewässert werden. Meist kommen sie direkt in ein Furnierwerk oder auf einen Sammelplatz, wo sie auf die Bahn verladen werden.

Was war Ihr bisher kompliziertester Abtransport aus dem Wald?
Einen Zedernstamm aus dem Tessin mussten wir mit einem grossen Teleskopkran fällen und abtransportieren. Der Stamm stand am Ufer des Lago Maggiore in einem Park. Es war bewohntes Gebiet, und wir mussten aufpassen, dass wir niemanden verletzten.

Unterscheidet sich die Weiterverarbeitung von günstigen und teuren Stämmen?
Ja, klar, bei einem teuren Stamm nimmt man sich mehr Zeit, überprüft beim Messern mehrfach, ob Messerscharten entstehen, stoppt die Maschine und wechselt teilweise sogar das Messer.

Hatten Sie bereits Überraschungen bei der Weiterverarbeitung?
Ja, wir hatten schon viele davon. Bei Eukalyptus kommt es beim Messern manchmal zu einem Gerbsäureaustritt auf der messerabgewandten Seite. Das sieht man erst nach dem Räuchern, wenn die Striemen auf dem Holz sichtbar werden. Diese gehen auch nicht mehr weg. Hat der Stamm beispielsweise zu viel Spannung, wird das Furnier sehr wellig, gerade Wurzelmaser-Hölzer sind hier problematisch. Trotz aller Herausforderungen ist Furnier die nachhaltigste und ressourcenschonendste Art der Wertholznutzung.

www.roser-swiss.com

Noah Gautschi