Nachgefragt

«Menschen und Organisationen sollen die Vorteile von openBIM verstehen»

Die Organisation «buildingSMART International» koordiniert die Entwicklung offener Standards in der Baubranche. Die neue Compliance-Verantwortliche Céline Bent erklärt im Interview, was ihre wichtigsten Aufgaben sind und welche Vorteile openBIM für Unternehmen und Projekte bringt.


Swissbau: Wie sah Ihr beruflicher Werdegang aus und wie sind Sie zu buildingSMART International gekommen?
Céline Bent: Ich habe Architektur an der Technischen Universität Delft in den Niederlanden studiert. Zwischen meinem Bachelor- und Masterstudium habe ich als Architektin in Australien gearbeitet und bei der UNO über den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen geforscht. Diese Tätigkeit hat mein Interesse am Klimaschutz und an der Nachhaltigkeit geweckt. Nach meinem Studienabschluss habe ich während neun Jahren beim europäischen Bauunternehmen Royal BAM Group an diesem Thema gearbeitet.

Ich verliess BAM, um als Dozentin und unabhängige Beraterin in den Bereichen Nachhaltigkeit und Innovation tätig zu werden. Kurz darauf wurde ich aber auf die Stelle des Compliance Directors bei buildingSMART International (siehe Infobox) angesprochen. Die Menschen, der Auftrag und der internationale Aspekt dieser Organisation sprachen mich an und ich entschied mich für den Job. Seit diesem Sommer arbeite ich mit grosser Freude bei buildingSMART.

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Compliance Director und wie gehen Sie diese an?
Ich sehe es als meine wichtigste Aufgabe an, Menschen und Organisationen dabei zu helfen, die Vorteile von openBIM (siehe Infobox) zu verstehen. So lassen sie sich davon überzeugen und integrieren es in ihre Arbeit. Ziel ist es, dass sie openBIM effektiv, mit Vertrauen und einer gewissen Leichtigkeit einsetzen können. Dazu fördert buildingSMART die Bildung und stellt Anleitungen bereit. Zudem bieten wir auch Zertifizierungen an, die man als «Versicherung» oder Qualitätsmarke für openBIM sehen kann.

Im Bausektor gibt es weltweit unzählige unterschiedliche Standards und Zertifizierungsansätze. Wie gehen Sie damit um?
Unser Fokus liegt nicht nur auf BIM, sondern wie erwähnt speziell auf openBIM. Genau wie die offenen Standards und Lösungen von buildingSMART sind auch unsere Programme plattformneutral und international anwendbar. Dieser Bereich entwickelt sich ständig weiter und es gibt in der Tat viele Zertifizierungsprogramme in der Branche. Daher ist es sehr wichtig, kontinuierlich mit den Usern zu testen und ihr Feedback einzuholen, konsistent zu sein und auf dem neuesten Stand der Entwicklungen. Der Mehrwert unseres Angebots ergibt sich aus der Qualität und der allgemeinen Anerkennung der Zertifizierung.

Gibt es Bestrebungen, einheitlichere Strukturen oder internationale Standards zu schaffen?
Was die Einhaltung der Vorschriften betrifft, bietet buildingSMART derzeit Software sowie professionelle individuelle Zertifizierungen an. Wir prüfen, ob es den Bedarf und die Möglichkeiten gibt, weitere Zertifizierungen zu entwickeln – beispielsweise für Projekte, Organisationen oder BIM-Umgebungen.

Das digitale Bauen bietet viele Möglichkeiten. Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten?
Digitales Bauen schafft mehr Übersicht und Effizienz über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Konkret bedeutet dies, dass es weniger Ausfälle, Unfälle, Frustration, Kosten sowie Abfälle gibt und dadurch weniger CO2 entsteht. Dazu kommen viele weitere Nachhaltigkeitsvorteile wie eine einfachere Reparatur, Wiederverwendung und Sanierung. Hier hilft (open) BIM, indem Informationen aus der Planungs- und Realisierungsphase eines Gebäudes gespeichert und später verfügbar gemacht werden können. Damit ist zum Beispiel klarer, was wann ersetzt werden muss, wo es sich befindet oder welche Eigenschaften es hat. Selbst wenn ein Gebäude rückgebaut wird, lässt sich einfacher beurteilen, welche Teile noch einen Wert für eine Wiederverwendung an anderer Stelle haben.

Welche Hindernisse stellen Sie bei der Digitalisierung des Bauwesens fest?
Es gibt viele Annahmen und Missverständnisse über BIM. Die digitale Transformation ist offensichtlich nicht einfach für eine Branche, die sehr fragmentiert, wettbewerbsorientiert und oft auch konservativ ist. Es scheint eine grosse Kluft zwischen den frühen Anwendern und den anderen zu geben: zwischen Ländern, zwischen Organisationen und innerhalb von Organisationen. Aufgrund mangelnder Ressourcen und Übersicht sind diese Unterschiede schwer zu überbrücken.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen buildingSMART International und den nationalen Sektionen?
Wir arbeiten eng zusammen. Es ist die Aufgabe von buildingSMART International, eine einheitliche Ausrichtung zu schaffen sowie Konsistenz und Neutralität zu gewährleisten. Die Umsetzung erfolgt dann durch die lokalen Instanzen, die sogenannten Chapter. Ein Beispiel: Das professionelle Zertifizierungsprogramm für openBIM wird unter Mitwirkung der Chapters entwickelt, aber der Lernrahmen wird von buildingSMART International standardisiert, genehmigt und herausgegeben. Das Programm wird dann auf nationaler Ebene von den Chaptern übersetzt, angepasst und verwaltet. Die Schulungsanbieter werden vor Ort registriert, während die Prüfung und die Zertifikate von buildingSMART International bereitgestellt werden.

Haben Sie eine persönliche oder berufliche Verbindung zur Schweiz oder zur Schweizer Bauwirtschaft?
Ja, da gibt es durchaus Berührungspunkte. Ich habe als freiberufliche Beraterin mit einer Schweizer Organisation zusammengearbeitet, was ich sehr genossen habe. Zwei meiner Teamkollegen bei buildingSMART sind in der Schweiz ansässig, Sue Chan und Mark Baldwin. Sie haben das Professional Certification Program mit grossem Erfolg entwickelt und geleitet. Ich hatte immer eine angenehme Arbeitsbeziehung zu Schweizerinnen und Schweizern. Zudem macht es mir stets Freude, die Schweiz zu besuchen, denn sie ist sauber und gut organisiert. Und was für einen tollen Lebensstil ihr habt: aktiv und naturnah!

Die Architektin Céline Bent ist seit Sommer 2022 Compliance Director von buildingSMART International. 


buildingSMART International

Die Vereinigung «buildingSMART» ist eine globale Gemeinschaft von Chaptern, Mitgliedern, Partnern und Sponsoren, die von der übergeordneten Organisation buildingSMART International geleitet wird. Die Gemeinschaft setzt sich dafür ein, dass offene digitale Arbeitsweisen für die Baubranche entwickelt werden. Die Standards von buildingSMART helfen den Eigentümerschaften von Bauwerken und der gesamten Lieferkette, während des gesamten Lebenszyklus von Projekten und Bauwerken effizienter und kooperativer zu arbeiten. Das Schweizer Chapter der Vereinigung heisst «Bauen digital Schweiz».

www.buildingsmart.org


openBIM

Das Konzept «openBIM» erweitert die Vorteile von BIM, indem es die Zugänglichkeit, Nutzbarkeit, Verwaltung und Nachhaltigkeit von digitalen Daten im Bauwesen verbessert. Dabei funktioniert openBIM unabhängig von den Softwarelösungen der Projektbeteiligten, sodass alle nahtlos miteinander zusammenarbeiten können. Durch diese Interoperabilität ist openBIM ein Schlüssel für die digitale Transformation der Baubranche.

Weitere Informationen